"Als ich ins Hospiz gekommen bin, habe ich festgestellt, dass das eigentlich das ist, was ich die ganze Zeit gesucht habe", sagt Jasmin Luttringer, die Leiterin des Hospiz’ St. Ferrutius. Gelernt hat sie Gesundheits- und Krankenpflegerin und hat im Anschluss Berufserfahrung in der Geriatrie und im Behindertenbereich gesammelt. Nach der Elternzeit hat sie nach einer Stelle gesucht, wo sie während der Betreuungszeiten der einjährigen Tochter arbeiten konnte - das war nicht so einfach möglich. Eine Freundin hat ihr dann empfohlen, es doch im Hospiz St. Ferrutius zu versuchen. "Hier wurde mir das ermöglicht", sagt Jasmin Luttringer. "Die Fachkraftquote ist bei uns viel höher, sodass wir flexibler agieren können."
Aber sie sieht auch noch weitere Vorteile bei der Arbeit im Hospiz. "Wir können hier sinnhaft arbeiten und uns Zeit nehmen für unsere Bewohnerinnen und Bewohner", meint Jasmin Luttringer. "Wir können außerdem unsere Fachlichkeit ganz anders anwenden und arbeiten auf Augenhöhe mit den Ärzten, von denen wir auch viel Verantwortung übertragen bekommen. Die Ärzte erkennen an, dass die Pflege einen ganz anderen Blick auf die Bewohnerinnen und Bewohner hat, weil wir rund um die Uhr für sie da sind. Wir ziehen an einem Strang und wollen den Menschen bei uns eine möglichst symptom- und schmerzfreie Zeit verschaffen."
Der Fokus liegt aber nicht allein auf der Medikation der kranken Menschen im Hospiz. Wichtig ist auch, zuzuhören, Hände zu halten und in den Arm zu nehmen - und weit darüber hinaus. "Manchmal müssen wir unsere Bewohnerinnen und Bewohner komplett auffangen und tragen in ihrer Trauer und auch in ihrer Wut", sagt Jasmin Luttringer. "Je jünger die Sterbenden sind, desto wütender sind sie häufig. Gleichzeitig haben sie oft Angst vor dem, was der Tod bringt. Dann geht es oft nicht um sie selbst. Es geht darum, wie es ihren Angehörigen damit geht, um die Kinder oder Eltern, den Partner oder die Partnerin."
Auch deshalb nimmt die Arbeit mit den Angehörigen einen großen Stellenwert im Hospiz St. Ferrutius ein. Auch sie müssen häufig aufgefangen werden. Einige machen sich Vorwürfe, weil sie die Pflege des Angehörigen zu Hause selbst nicht schaffen. "Aber dafür gibt es keinen Grund", sagt Jasmin Luttringer. "Wir haben hier bei uns im Hospiz ganz andere Möglichkeiten. Die Sterbenden werden bei uns von Fachkräften rund um die Uhr versorgt. Die Angehörigen können dann mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern nur noch in Ruhe Zeit verbringen, ohne sich um die Pflege kümmern zu müssen. Das bringt für alle auch Entspannung. Angehörige sind bei uns jederzeit willkommen."
Für sich selbst haben die Bewohnerinnen und Bewohner meist gar keine großen Wünsche. Dass das Motorrad oder das Pferd des Bewohners ins Hospiz gebracht werden, sind Ausnahmen. Kürzlich war eine Bewohnerin auch mit dem Wünschewagen und in Begleitung ihres Sohnes in der Therme. Die meisten aber möchten einfach ihre Ruhe haben oder noch einmal ihr Lieblingsessen, das dann im Hospiz frisch für sie gekocht wird. "Ich sage den Menschen, wenn sie zu uns kommen, dass sie jetzt Bestimmer und Chef sind. Sie müssen nichts mehr müssen", erzählt Jasmin Luttringer.
Gesellschaftlich wünscht sich Jasmin Luttringer einen anderen Umgang mit Trauer. Meist wird erwartet, dass Angehörige nach vier Wochen aufhören zu trauern und ihr Leben wie vor dem Todesfall leben. Dabei dauert der Prozess des Abschiednehmens oft deutlich länger. Die Menschen erleben alles wieder neu ohne den Menschen, der einen wichtigen Platz in ihrem Leben eingenommen hat. Das erste Weihnachten nach dem Tod, der erste Geburtstag, der erste Frühling oder andere Ereignisse, die für die Beziehung wichtig waren. "Alles kann Erinnerungen und dann auch wieder Trauer auslösen und das sollte auch akzeptiert werden", sagt Jasmin Luttringer.
Das Hospiz allerdings wird inzwischen von allen Seiten geschätzt und erfährt viel Unterstützung von der Stadt Taunusstein, vom Rheingau-Taunus-Kreis, den Kirchengemeinden, Privatpersonen, Ehrenamtlichen, Spendern und vielen weiteren Gruppen. "Wir werden gesehen, gehört und unterstützt", meint Jasmin Luttringer. "Da hat sich in den zehn Jahren seit ich hier bin einiges getan. Wir leisten auch viel Aufklärungsarbeit. Wir gehen auf Anfrage zum Beispiel in Schulen und erzählen von unserer Arbeit. Wir haben außerdem unser Angebot ausgeweitet. Es gibt seit einigen Jahren den Ambulanten Hospizdienst St. Ferrutius, den Trauergesprächskreis und wir qualifizieren jährlich ehrenamtliche Hospizbegleiter."
Und was sich Jasmin Luttringer noch wünscht? "Ich wünsche mir, dass wir genauso weitermachen können, wie bisher. Dass wir wie bisher die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen begleiten können. Dass ich weiterhin so ein tolles Team um mich haben werde. Für das Hospiz entscheidet man sich bewusst. Meine Mitarbeitenden brennen für ihren Job. Ich wünsche mir, dass wir auch weiterhin Zeit für die Aufklärung über die Hospizarbeit vom Caritasverband bekommen, weil ich mir wünsche, dass alle Menschen, ob Jung ob Alt, wissen, wohin sie sich wenden können, wenn sie in die Situation kommen."
Und für sich selbst? "Ich nehme aus meiner Arbeit so viel für mich persönlich mit. Ich habe gelernt, mich nicht über Dinge zu ärgern, die ich nicht ändern kann. Für mich ist es wichtig, möglichst viel schöne Zeit mit meiner Familie und den Menschen, die ich liebe, zu verbringen."