Nach einem kurzen Rundgang hört der Bischof der eindrücklichen Schilderung der Arbeit interessiert zu.
Die Fachambulanz für Suchtkranke steht allen Menschen offen, die ein Problem mit einem Suchtmittel haben. Es können sich aber auch Familie und Freunde an die Beraterinnen und Berater wenden. Die Süchte reichen von Alkohol, Medikamenten und anderen stofflichen Drogen bis zu Verhaltenssüchten wie Glücksspiel. "Auch Gaming oder Wetten spielen eine immer größere Rolle", berichtet Ulrike Kesternich. "Es wenden sich auch verstärkt Eltern an uns, deren Kinder sich nicht mehr vom PC oder Tablet trennen lassen und die dann vielleicht noch zu Bier oder anderen Drogen greifen." Betroffen ist nicht nur die Person, die mit der Sucht kämpft, sondern die ganze Familie. Unabhängig davon, ob Kinder oder Eltern von einem Suchtmittel abhängig sind.
Ein wichtiger Zugangsweg zu den Hilfsangeboten ist die wöchentlich stattfindende offene Sprechstunde. Ein besonderer Erfolg ist für Ulrike Kesternich, dass die Einrichtung auch zu Beginn der Pandemie nur für kurze Zeit geschlossen war. "Wir haben schnell gemerkt, dass für unsere Klienten der direkte Kontakt wichtig ist", sagt sie. "Das ist anders als ein Gespräch über Video. Also haben wir es mit Hygienekonzepten sehr schnell ermöglicht, dass auch Gespräche in der Fachambulanz nach Absprache wahrgenommen werden konnten."
Mit den Beraterinnen werden im ersten Kontakt individuell Lösungswege gesucht. So gibt es das Angebot, an einer Motivationsgruppe teilzunehmen, in der über Süchte und Möglichkeiten zu Therapie und Behandlung aufgeklärt wird. Zudem bietet die Fachambulanz SKOLL an: Das Selbstkontrolltraining ist ein Programm für den verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln und anderen Suchtphänomenen. Wie es danach weitergeht, wird ebenso individuell abgestimmt.
Ein weiteres Angebot ist das Betreute Wohnen. Die Betroffenen leben in ihrer eigenen Wohnung, werden dort von den Beraterinnen und Beratern betreut und in der Bewältigung des Alltags unterstützt. "Diese Menschen haben Multiproblemlagen", erklärt Ulrike Kesternich. "Besonders in diesen Fällen kommen uns die Angebote des Caritasverbands zugute. Wir können auf kurzem Weg auch in die Schuldnerberatung, die Erziehungsberatung und viele andere Dienste weiterverweisen." Darüber hinaus gibt es ein Projekt für langzeitarbeitslose Menschen, das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird.
Um all dies anbieten zu können, ist ein hohes Maß an Professionalität nötig. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über fundierte Ausbildungen und meist über Zusatzqualifikationen. Sie bilden sich darüber hinaus kontinuierlich fort. Die Fachambulanz für Suchtkranke ist die einzige Einrichtung im Bereich Sucht in Wiesbaden, in der neben Beratung auch Behandlung angeboten wird.
Die Geschichten der Hilfesuchenden sind häufig auch für die Beraterinnen und Berater belastend. Bischof Georg Bätzing fragt nach, wie sie es schaffen, dies für sich selbst zu verarbeiten. "Wir haben natürlich auch Tiefs", sagt Ann-Cathrin Fehl, stellvertretende Leiterin der Fachambulanz für Suchtkranke. "Wir bekommen Supervision und in der Ausbildung lernt man entsprechende Techniken. Mich treibt außerdem der Wunsch an, andere Menschen zu unterstützen. Und ich beschäftige mich zu Hause mit schönen Dingen." Ulrike Kesternich ergänzt: "Mitfühlen, aber nicht mitleiden. Das ist ganz wichtig."
Die Frage nach Veränderungen durch die Corona-Pandemie von Bischof Bätzing beantwortet Ulrike Kesternich: "In der Sucht stehen wir bei Corona noch ganz am Anfang. Es dauert lange, bevor Betroffene nach Hilfe fragen." Was in der Fachambulanz allerdings deutlich wurde ist, dass viele Menschen vereinsamt sind und es ihnen schwerfällt, wieder in Kontakt zu treten. "Umso wichtiger ist es, dass wir hier vor Ort als Ansprechpartner bereit stehen, nach dem Motto Caritas - Katholische Kirche vor Ort." Und am Eingang symbolisiert durch das Flammenkreuz als Erkennungszeichen der Caritas.
Ein Gespräch mit einem Klienten der Fachambulanz für Suchtkranke hat Bischof Georg Bätzing vertraulich unter vier Augen geführt.
"Sie leisten hier Arbeit am Schnittpunkt und fragen die Menschen, was Sie für sie tun können", sagt Bischof Bätzing zum Abschied. "Dank für die Einblicke, Dank für die Energie, die hier drinsteckt. Das spürt man deutlich."