Die Fachambulanz für
Suchtkranke des Caritasverbands Wiesbaden-Rheingau-Taunus e.V. hat den
Jahresbericht für 2011 vorgelegt. Haupterkenntnis: Ein Suchtproblem kann jeden
treffen – mit allen damit verbundenen Problemen für die Betroffenen, das
Umfeld, die Familie oder den Arbeitsplatz. Es handelt sich nicht in erster
Linie um ein Problem von gesellschaftlichen Randgruppen. Der Großteil der
Klienten ist entweder berufstätig, Rentner oder Hausfrau oder -mann und ist
damit in Arbeitszusammenhänge und ein soziales Umfeld integriert. Etwa drei
Viertel wenden sich wegen eines erhöhten Alkoholkonsums, also dem missbräuchlichen
Konsum eines gesellschaftlich anerkannten Genussmittels, an die Beraterinnen
und Berater.
„Der Großteil unserer Klienten
befindet sich in einer geregelten Beschäftigung. Damit besteht die
Notwendigkeit, die Suchtproblematik und deren Behandlung im Alltag zu
bewältigen und mit der Arbeit, der Familie und dem sozialen Umfeld in Einklang
zu bringen“, sagt Maria Jox-Doppler, Leiterin der Fachambulanz für Suchtkranke.
Insgesamt hatten im Jahr 2011
791 Personen Kontakt zur Fachambulanz für Suchtkranke, 602 davon hatten mehr
als einen Kontakt zu den Beraterinnen und Beratern.
344 der 602 Klienten sind Angestellte, Beamte oder Arbeiter, selbstständig,
Hausfrau und -mann, Rentner oder Pensionär, Auszubildende, Schüler/Student oder
in einer beruflichen Rehabilitation. Im Vergleich dazu befinden sich 235
Klienten im Bezug von Arbeitslosengeld I oder II oder sind erwerbsunfähig. 23
Personen haben keine Angaben gemacht. Der größte Teil (214 Klienten) ist
zwischen 40 und 49 Jahre alt, gefolgt von den 50- bis 59jährigen mit 131
Personen. 48 Personen kamen wegen eines Angehörigen, der Rest wegen des eigenen
problematischen Suchtverhaltens. Mehr als zwei Drittel (422 Klienten) waren
männlich. 522 der Klienten verfügen über eine deutsche Staatsbürgerschaft, 24
über eine türkische und zehn über eine polnische. Alle anderen
Staatszugehörigkeiten bewegen sich im einstelligen Bereich.
Die Hauptzielgruppe sind
Menschen mit einer Alkoholproblematik – insgesamt 452 Personen suchten deswegen
die Fachambulanz auf. Die zweitgrößte Gruppe mit 115 Klienten bildeten die
pathologischen Glücksspielerinnen und Glücksspieler. Die übrigen waren abhängig
von Medikamenten oder illegalen Drogen. Immer häufiger konsumieren
Hilfesuchende auch eine Kombination von Suchtmitteln, z.B. Alkohol und Cannabis
oder sind spielsüchtig und missbrauchen zusätzlich Alkohol. Internetsucht ist
eine steigende Herausforderung, der sich die Fachambulanz mehr öffnen will.
Die Gründe, warum die
Betroffenen sich entschließen, Hilfe zu suchen, sind unterschiedlich. „Wir
haben Klienten, bei denen es wegen des Suchtverhaltens Probleme am Arbeitsplatz
gab“, sagt Jox-Doppler. „Eine Abmahnung wurde ausgesprochen mit der Auflage,
eine Suchtberatung aufzusuchen. Oder es gibt im häuslichen Umfeld Probleme mit
der Partnerin, die darauf dringt, dass Hilfe von außen hinzugezogen wird. Wird
die Sucht nicht behandelt, hat das meist gravierende Auswirkungen auf das Leben
der Betroffenen. Zum einen natürlich gesundheitlich. Aber genauso zerstört ein
missbräuchliches Verhalten oft Ehen, Familien, Freundschaften, führt zur
Kündigung des Arbeitsverhältnisses und schließlich zu sozialer Isolation. Es
löst aber nie das Problem, weswegen die Betroffenen in die Sucht gerutscht
sind. Wir versuchen, die Betroffenen dort abzuholen, wo sie stehen. Das
Bewusstsein über das Suchtverhalten ist bei unseren Klienten ganz
unterschiedlich ausgeprägt. Nach Möglichkeit werden Familie, Arbeitgeber oder
Freunde mit in den Beratungs- und Behandlungsprozess einbezogen.“
Gruppenarbeit hat sich für die
Behandlung von Suchtkranken bewährt. Nicht selten erlangt sie einen hohen
Stellenwert für die Betroffenen.
Christian F. (Name geändert), Mitte 20, Schüler, besucht seit Beendigung seiner
stationären Entgiftungsbehandlung eine Gruppe für junge Männer in der
Fachambulanz. „Die lässige und vertrauensvolle Atmosphäre in der Gruppe
erleichtert uns, offen auszusprechen, was uns belastet, gerade bei den Themen über
die „Mann“ nicht so gerne spricht. Ein Berater leitet die Gespräche, aber die
eigentliche Hilfe kommt oft aus der Gruppe selbst, weil die anderen meist
vergleichbare Biografien und Hintergründe haben. Da treffe ich auf Verständnis
und Ermunterung. Meine Themen sind auch die Themen der anderen Männer. Da geht
es um häusliche Gewalt, körperlichen Missbrauch durch Vater oder Mutter,
Beziehungskrisen, Freundschaft oder Enttäuschung. Wir fragen uns, was das
Suchtmittel bisher in unserem Leben für eine Bedeutung hatte und wie wir
künftig ohne zurechtkommen. Aber nicht nur das Schwierige und Problematische
ist an der Gruppe gut. Es gibt auch schöne Gespräche, wenn wir die
Beratungsstelle verlassen und uns auf einen Kaffee treffen. Für den Sommer
haben wir schon verschiedene gemeinsame Aktivitäten geplant. Das wird nicht nur
Spaß machen, sondern auch unsere Gruppe weiter festigen. Die Teilnahme an der
Gruppe erleichtert mir meine Abstinenz.“
Grundsätzlich ist das Angebot
der Fachambulanz für Suchtkranke in zwei Bereiche gegliedert: Beratung und
Behandlung sowie Betreutes Wohnen.
Verpflichtend ist für die Betroffenen die Teilnahme an einer Informations- und
Motivationsgruppe. Neben der Information über Suchtmittel und -prozesse
findet
hier eine Auseinandersetzung mit der eigenen
aktuellen Lebenssituation und dem Suchtmittelkonsum sowie eine
Standortbestimmung statt, die die Grundlage für die weiterführenden
Hilfemaßnahmen ist. Die Hilfemaßnahmen sind individuell angepasst. Die Klienten
können in der Fachambulanz ambulant durch Gruppenarbeit und einzeln beraten und
behandelt werden oder sie werden in eine stationäre Einrichtung
weitervermittelt. Die Nachbetreuung kann im Anschluss wieder die Fachambulanz
übernehmen.
Das Betreute Wohnen kommt als besonders intensive Betreuungsform für
suchtkranke Menschen im eigenen häuslichen Umfeld hinzu. Es dient der Erlangung
oder Stabilisierung der Abstinenz oder der Verhinderung weiterer körperlicher,
seelischer oder sozialer Schädigungen.