Im Juni 2010 hat die Bundesregierung ein umfangreiches Sparpaket beschlossen [i] . Dazu gehören auch Maßnahmen, die den Bereich der Grundsicherung (SGB II) betreffen. Beabsichtigt ist, das Budget für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten von derzeit 11 Mrd. € schrittweise von 2011 bis 2013 um 3 Mrd. € auf dann 8 Mrd. € abzusenken. In 2011 sollen bereits Kürzungen um 1,5 Mrd. € erfolgen. Es steht zu erwarten, dass diese Kürzungen nicht den Verwaltungsteil des Budgets betreffen, sondern den Eingliederungstitel schmälern werden. Damit stehen starke Einschränkungen bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung unmittelbar bevor.
Öffentlich geförderte Beschäftigung bedroht
Nach vorliegenden Informationen übt die Bundesagentur für Arbeit insbesondere in den Argen derzeit starken Druck auf die Grundsicherungsträger aus, bei der Umsetzung der Sparvorgaben insbesondere Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung zu beschneiden. In diesen werden bundesweit derzeit ca. 340.000 Plätze angeboten [ii] .
Öffentlich geförderte Beschäftigung dient den daran Teilnehmenden zum Erhalt und zur Förderung ihrer Beschäftigungsfähigkeit ebenso wie zur Teilhabe an Arbeit und der Förderung ihrer sozialen Teilhabe. Arbeitslose Zeit wird in sinnstiftende Zeit mit produktiven Erträgen für Bürger und Gemeinden verwandelt. Arbeitslosigkeit grenzt aus, entwöhnt von Arbeit, macht krank – Arbeit bezieht Menschen in ein Tagwerk und soziale Strukturen ein und verhindert individuelle Destabilisierung.
Auch bei aktuell anziehender Konjunktur und Diskussion um Fachkräftemangel wird es weiterhin einen „gespaltenen Arbeitsmarkt“ geben: Einige Millionen arbeitsfähige Menschen sind derzeit ohne Arbeit und dies häufig schon über längere Zeiträume. Der geplante Abbau bei der geförderten Beschäftigung schwächt die Integrations- und Teilhabechancen der betroffenen Menschen.
Falsch ist die Behauptung, die Eingliederungswirkung der geförderten Beschäftigung sei gering. Tatsächlich finden die Teilnehmenden durch geförderte Arbeit wieder Halt und Mut. Tatsächlich finden über hunderttausend Menschen jedes Jahr während oder nach einer geförderten Beschäftigung zurück in den Arbeitsmarkt [iii] – und dies sind Menschen, die zunächst als nicht vermittlungsfähig eingeschätzt wurden.
Auch die angebliche Wettbewerbsverzerrung und Arbeitsplatzgefährdung durch geförderte Beschäftigung ist nicht zutreffend wie detaillierte Studien zeigen: Die Marktbeeinflussung liegt unter der Nachweisgrenze [iv] .
Die
Auswirkungen auf Wiesbaden
Nach heutigem Kenntnisstand werden die Zuweisungen für Eingliederungsleistungen in Wiesbaden um 22,7% gekürzt, was einem Minderbetrag von ca. 5,9 Mio. € für das Jahr 2011 entspricht. Dies bedeutet, dass die Fördermöglichkeiten für langzeitarbeitslose Menschen, die Leistungen nach dem SGBG II (Hartz 4) beziehen, deutlich eingeschränkt werden müssen. Insbesondere ist zu erwarten, dass dies nicht ohne den Abbau von öffentlich geförderter Beschäftigung einhergeht.
Dies wird die Stadt Wiesbaden insofern in besonderem Maß treffen, als hier eine große Zahl von langzeitarbeitslosen Menschen in Beschäftigungsmaßnahmen gefördert werden. Dies hat in Wiesbaden lange Tradition und wird seit Jahren auf hohem fachlichem Niveau durchgeführt. Im Jahr 2010 standen alleine ca. 800 Plätze in Arbeitsgelegenheiten unter fachlicher Anleitung in den verschiedensten Berufsfeldern zur Verfügung.
Das Ergebnis wird sein, dass in Zukunft auch in Wiesbaden die „Schwächsten der Schwachen“ nicht mehr in ausreichender Form gefördert werden können und damit wird auch bei den Empfängern von Grundsicherung eine Zweiklassengesellschaft eingeführt. Eine Alternative für diese Menschen ist nicht in Sicht: Sie werden demnächst den Platz auf der Couch einnehmen, nicht den Arbeitsplatz, der sie in sinnvolle Arbeit und in ein soziales Gefüge einbindet.
Die Einschränkung dieser Leistungen bedeutet aber auch eine Einschränkung von Leistungen, die die Beschäftigungsförderung für die Wiesbadener Bürger erbracht hat. Bedroht sind hier u.a. wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, die im Auftrag der Ortsbeiräte in den Stadtteilen ausgeführt wurden, die Versorgung von Kindergärten und Schulen mit Nahrungsmitteln oder das günstige Angebot von Waren des täglichen Bedarfs für schwache Einkommensgruppen im Gebrauchtwarenkaufhaus „fast wie neu“.
Sparpaket
überdenken und korrigieren
Die Stadt Wiesbaden ist hier nicht als Verursacher zu sehen, vielmehr ist sie abhängig von den Zuweisungen des Bundes für Eingliederungsleistungen. Das Sparpaket der Bundesregierung ist verantwortlich für diese Entwicklung. Es ist falsch justiert und es trifft den Sektor Grundsicherung mit besonderer Härte. Bei den aktiven Leistungen droht ein Abbau von Maßnahmen auf breiter Front und damit wird massiv am „Fördern“ gespart. Das Eingliederungsbudget der Grundsicherung ebenso wie ihr sozialer Auftrag werden kleiner geschrieben.
Wir fordern eine Revision der Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Steuerausfälle deutlich geringer ausfallen als noch vor wenigen Monaten geschätzt. Auch ist der prognostizierte Zuschussbedarf der Bundesagentur für Arbeit seit Jahresbeginn von 12,8 Mrd. € auf unter 7 Mrd. € gefallen. Damit hat die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt bereits mehr bewirkt, als das Sparpaket der Bundesregierung in diesem Bereich bewirken soll.
Wiesbaden, 12.11.2010
BauHaus Werkstätten Wiesbaden
Caritasverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus e.V.
Jugendhilfezentrum Johannesstift GmbH
V.i.S.d.P
.: Michael Lechner, c/o BauHaus Werkstätten Wiesbaden,
Otto-Wallach-Straße 16, 65203 Wiesbaden
[i] „Die Grundpfeiler unserer Zukunft stärken“, Bundesregierung vom 07.06.2010. Die Kürzungen betreffen sowohl die passiven Leistungen im SGB II (Wegfall von Elterngeld und Rentenbeiträgen für ALG II-Empfänger im Volumen von ca. 2,2 Mrd. € p.a.) als auch die aktiven Leistungen.
[ii] Ca. 300.000 Arbeitsgelegenheiten, davon 80% in sozialrechtlicher, 20% in sozialversicherungspflichtiger Form; ferner ca. 40.000 Plätze in sozialversicherter Beschäftigung nach §16e SGB II. Jährlich partizipieren über 800.000 Personen an diesen Angeboten.
[iii] Statistik der BA, Eingliederungsbilanz: 6 Monate nach geförderter Beschäftigung waren 147.000 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
[iv] z.B. Studie von Dr. Bernd Werner, Hessen Agentur 2008