Abends und nachts geht das Team der nächtlichen Straßensozialarbeit der FAS einmal die Woche ins Westend - im Januar war das von 17 bis 22 Uhr, derzeit von 19 bis 0 Uhr. Im Laufe der nächsten Wochen wollen sie auch mal zweimal die Woche und auch am Wochenende dort sein. "Aufgrund der Kälte treffen wir derzeit nicht sonderlich viele Menschen an", sagt Luisa Polz, die das Projekt leitet. "Wir gehen davon aus, dass sich das ändert, wenn sich das Wetter bessert. Momentan sehen wir auch kaum Leute, die draußen auf der Straße übernachten."
Mit Tee und Kaffee im Gepäck hält sich das Team immer zu zweit eine Stunde am Platz der Deutschen Einheit auf und zieht dann weiter zu anderen belebteren Orten im Viertel. "Im Moment geht es darum, zu beobachten und einzuschätzen, welche Menschen sich wo und wann aufhalten", erklärt Luisa Polz. "Wir möchten für die Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels sichtbar und ansprechbar sein und Vertrauen aufbauen. Zielgruppe sind alle Menschen, die sich abends und nachts im Viertel aufhalten. Darunter fallen auch Menschen die Suchtmittel im öffentlichen Raum im Westend konsumieren oder anderweitig Hilfe benötigen. Wir können dann direkt vor Ort beraten, in andere bestehende Hilfeangebote oder das Gesundheitssystem weitervermitteln oder einen Termin in unserer Fachambulanz für Suchtkranke ausmachen." Darüber hinaus sollen aber generell die Menschen im Viertel aktiv nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragt werden, um sie gemeinsam mit den Betroffenen auszuformulieren und nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen. Außerdem geht es darum ein Netzwerk zu anderen bestehenden Hilfsangeboten aufzubauen. Dazu gehören unter anderem die Schutzmänner vor Ort, Kubis, die im Westend Gemeinwesenarbeit machen, Straßensozialarbeiter anderer Träger oder auch das örtliche Kinder-Eltern-Zentrum.
Hintergrund des zunächst auf drei Jahre angelegten Projekts, das von der Landeshauptstadt Wiesbaden finanziert wird, ist ein Bericht der Wiesbadener Stadtanalysen zum Sicherheitsgefühl junger Wiesbadener_innen. Sie empfinden Unsicherheit in Bezug auf den Aufenthalt im öffentlichen Raum aufgrund eines zerrütteten sozialen Miteinanders. Bedrohliche Eigenschaften werden insbesondere vermeintlichen Randgruppen zugeschrieben, die mit Vorurteilen bedacht werden - das sind Obdachlose, Betrunkene, Bettler bis hin zu Menschen mit Migrationshintergrund. Das Projekt nächtliche Straßensozialarbeit will diesen Menschen und allen anderen Bewohner_innen des Viertels unvoreingenommen gegenübergetreten und sich anhören, was sie zu sagen haben. Gemeinsam mit den Befragten sollen dann Chancen und Möglichkeiten entwickelt werden, wie für alle Menschen im Stadtteil ein zufriedenstellendes Zusammenleben erreicht werden kann. Die Vermittlung in bestehende Angebote kann dabei ebenso eine Möglichkeit sein, wie das Schaffen von neuen.
"Wir stehen noch am Anfang des Projekts", sagt Luisa Polz. "Die Menschen im Stadtteil müssen zunächst Vertrauen zu uns aufbauen, damit unvoreingenommene Kommunikation entstehen kann. Die Themen, die die Menschen an uns herantragen, wählen sie selbst. Welche Lösungen wir später finden, um das Zusammenleben im Viertel zu verbessern, ist derzeit noch offen und wird eben durch die Themen, die die Menschen bewegen, bestimmt. Durch die Einbindung der Betroffenen entsteht eine hohe Identifikation, was die Gefahr der Ablehnung des noch zu entwickelnden Angebots minimiert."